Der Nordalpenweg ist der Fernwanderweg, welcher uns aus der österreichischen Hauptstadt heraus und hinein in die alpine Bergwelt führen soll. Nun beginnt dieser Weg leider nicht direkt in Wien, sondern knapp 15 km südöstlich, in Perchtoldsdorf. Anstatt jedoch mit der S-Bahn vom Wiener Hauptbahnhof diese Strecke in wenigen Minuten zurückzulegen, entscheiden wir uns für die puristische Variante: Wir laufen!
Führte der Weg aus München bei unserer ersten Alpenüberquerung noch idyllisch entlang der Isar aus der Stadt hinaus, entpuppt sich die von GoogleMaps vorgeschlagene Route als wenig reizvoll. Dutzende Ampeln, Kreuzungen, Häuserblöcke und Friseursalons gilt es zu passieren. Die größte Naturerfahrung bot sich auf einem bepflanztem Grünstreifen in einem Gewerbegebiet, wo uns das Wetter zwingt Regenjacke und Regenhose anzulegen.
2 Stunden lang gießt es unerbittlich aus vollen Kübeln. Ich sehe es aber positiv. So werden wenigstens die Rucksäcke und die neuen MYOG Regenhosen auf ihre Wetterfestigkeit getestet. Nach den 3 Stunden “Wandern” bin ich froh die nassen Klamotten im Gasthof Gerhard in Perchtoldsdorf abzulegen.
Auf dem Nordalpenweg in die Berge
Infobox zum Nordalpenweg
Der Nordalpenweg ist ein circa 1000 Kilometer langer Fernwanderweg, welcher von Perchtoldsdorf oder dem Neusiedlersee bis nach Bregenz zum Bodensee führt. Er durchquert dabei Österreich von Ost nach West und wird unter anderem auch als Österreichischer Weitwanderweg 01 bezeichnet.
- Gesamtlänge: 940 km (nördliche Variante ab Perchtoldsdorf)
- Anforderungen: alpine Bergwanderung, leichte Kletterstellen, Schwindel- und Trittsicherheit erforderlich
- maximale Höhe: 2928 Meter
- durchschnittliche Höhenmeter/Tag: 1.100m Aufstieg / 1.100 Abstieg
- Gesamte Höhenmeter: 55.000m Aufstieg/ 55.000m Abstieg
- Tagesetappen: 49 – 50
- Beste Wanderzeit: Juni – September (Schneelagenabhängig)
Eine Karte des Nordalpenweg und den GPS-Track zu der Fernwanderung findest Du bei Outdooractive. Den Track und die Beschreibungen haben wir auf unserer Wanderung ebenfalls benutzt und waren sehr zufrieden damit. Von Freytag & Berndt gibt außerdem einen gedruckten Wanderführer.
Der folgende Tag verspricht jedoch nun endlich richtiges Wandervergnügen! Vom Startpunkt des Nordalpenweg geht es 24 km und 1000 Aufstiegshöhenmeter bis zum Peilsteinhaus. Die ersten “richtigen” Wander Kilometer führen durch die sanften Hügel des Wienerwaldes erstaunlich schweißtreibende hinauf zur Kammersteiner Hütte. Das regnerische Wetter des gestrigen Tages hat sich gelegt. Nun fegt aber ein kräftiger Wind durch das Land und bläst uns auf der Aussichtsplattform der AV Hütte entschieden ins Gesicht. Dank unserer nassgeschwitzen Klamotten frieren wir in den starken Böen sehr schnell und genießen die tolle Aussicht auf die umliegenden Berge und zurück nach Wien nur sehr kurz.
Der Weg wechselt zwischen Forststraße und Waldpfaden und führt durch einige beschauliche Dörfer, vorbei an Reiterhöfen und Klosteranlagen. Während des letzten Anstiegs zum Peilsteinhaus passieren wir die gedachte 20 Kilometermarke. Im Stillen denke ich mir, dass wir nun 1% des Weges schon geschafft haben. Dieser Gedanke führt mir aber nur vor Augen, wie weit und fast unerreichbar das Ziel Nizza zu diesem Moment noch scheint. Während ich diese Zeilen tippe, sind wir nun bei Kilometer 200. Und immernoch kommt mir diese Wanderung irgendwie unreal vor. Der Gedanke an die Stadt am Mittelmeer ist mir auch nach einem Zehntel der Strecke noch viel zu groß. Ich denke lieber in kleineren Etappen, um nicht von der noch vor uns liegenden Strecke überwältigt zu werden.
Obwohl das Peilsteinhaus bei unserer Ankunft sehr voll ist, schlafen wir alleine in einem der 5 Lager. Noch muss ich mich an das ständige Ein- und Auspacken des Rucksacks erst wieder gewöhnen. So viel meiner Ausrüstung ist neu, weshalb es sich noch nicht nach einem natürlichen Rhythmus anfühlt.
Ultraleichte Ausrüstungs Tipps:
Unter freiem Himmel am Nordalpenweg
Anstatt am zweiten Tag zum Waxeneckhaus zu wandern, verlassen wir kurz vorher den Nordalpenweg und steigen nach Pernitz ab, um dort bei dem sommerlichen Wetter zu zelten. Auf dem Zeltplatz etwas außerhalb des Ortes ist das Pyramiden Tarp Zelt schnell aufgespannt. Schon dutzende Male habe ich das Shelter aufgebaut, weshalb die Handgriffe nun fast schon intuitiv von der Hand gehen. Es gibt Couscous mit Tomatensauce zum Abendessen, welches wir in wenigen Minuten in den kleinen Titan Tassen zubereiten.
Die erste Nacht unter freiem Himmel verbringen wir äußerst entspannt und ohne Innenzelt unter dem geräumigen Tarp. Die Temperatur dürfte so um die 6-8 Grad gelegen haben. Bei sternenklaren Himmel hat sich am Morgen daher eine Menge Kondens auf der Zeltinnenseite gebildet. Da aber schon die Sonne hinter den Berggipfeln hervorscheint, wird das Zelt einfach gewendet und während unseres Frühstücks prompt getrocknet. Anschließend wandern wir bei schwül heißem Wetter recht steil bergauf zur Dürren Wand und der Gauermannhütte.
Es wird alpiner
Zum ersten Mal wird es nun felsiger und alpiner. Kurz vor der bewirtschafteten Hütte machen wir eine Pause und genießen an den steilen Felskanten die tolle Aussicht auf die umliegenden Berge. Wenige Kilometer später lässt sich auf der gegenüberliegenden Seite schon der Schneeberg ausmachen. Imposant sticht die höchste Erhebung Niederösterreichs und der nördlichste sowie östliche Zweittausender der Alpen aus seiner Umgebung hervor. Er ist aber erst für den morgigen Wandertag unser Ziel.
Nun peilen wir erst einmal den Gasthof der Mamauwiese an seinem Fuße an. Über idyllische Almwiesen und einen leichten Steig gelangen wir dorthin. Dort angekommen kann ich meinen Blick kaum von den felsigen Wänden des Schneebergs lassen. Zum ersten Mal fühle ich mich nun richtig in die Alpen hineinversetzt. Äußert gespannt bin ich schon auf den Fadensteig, über welchen der Weg zu seinem Gipfel morgen führen wird. Es ist der Samstag des Himmelfahrtswochenendes, weshalb es mit großer Wahrscheinlichkeit dort am nächsten Tag ziemlich voll werden wird. Besonders, da blauer Himmel und sommerliche Temperaturen vorhergesagt werden.
Eine Weile sitzen wir noch in der Wiese vor dem Gasthof und schauen in der Abendsonne den Kühen beim grasen zu. Sie scheinen sich sehr darüber zu freuen, endlich wieder auf der Weide zu stehen. Laut läutend rennen sie auf der Wiese umher und machen teilweise beeindruckend hohe Luftsprünge. Nachdem die Sonne verschwunden ist, verdrücken ich noch eine für meinen Wanderhunger leider zu klein geratene Portion Käsespätzle und lege mich in dem tollen Zimmer der Mamauwiese aufs Ohr.
Auf den höchsten Berg Niederösterreichs
9 komatöse Stunden Schlaf später brechen wir nach einem reichhaltigen Frühstück gegen 7:30 Uhr in Richtung Edelweißhütte auf. Recht steil geht es durch einen schönen Mischwald 300 Höhenmeter empor. Dort angekommen, begeben sich schon die ersten Wanderer auf den Fadensteig. Dieser beginnt im unteren Teil mit einem sehr steilen Stieg und bringt mich dank der sommerlichen Temperaturen stark zum schwitzen. Bald endet dieser jedoch und mündet in einer leichten Felskletterei. Wir umrunden 2 Felstürme und gelangen nach dem sehr aussichtsreichen Aufstieg zu einem Hochplateau.
2.5 Stunden nach dem Frühstück schlauchen mich die folgenden leicht ansteigenden 300 Höhenmeter deutlich mehr, als der steile Fadensteig. Als wir endlich an der auf 2049 Meter liegenden Fischerhütte ankommen, ist es Zeit für die wohlverdiente erste Pause. Jausenbrot, Erdnüsse und Energieriegel sind erstaunlich schnell verdrückt. Aber an der einmaligen Aussicht von hier oben kann ich mich gar nicht satt genug sehen. Zwar kenne ich keinen der vor mir liegenden Gipfel mit Namen, aber das tut dem Landschaftseindruck keinen Abbruch.
Nach der Pause und einer Fotosession geht es über einen sehr steilen Stieg gefühlt stundenlang hinab ins Weichtal. Den Klettersteig durch die Weichtalklamm lassen wir im Gegensatz zu einer Einkehr in der Kienthalerhütte links liegen, und folgen dem Ferdinand-Mayr-Weg hinab ins Tal. Nach Weißbier, Käsespätzle und Topfenstrudel falle ich ziemlich erschöpft schon gegen 20:30 Uhr in eine der Matratzen des Weichtalhauses. Wir sind an diesem Abend nur zu viert im 24iger Lager. Dieser Luxus wird sich mit dem Kommen des Sommers sicher noch ändern.
Hüttenfeeling am Nordalpenweg
Über unzählige Leitern und Felsstufen geht es am nächsten Morgen erneut sehr schweißtreibend 1100 Höhenmeter hinauf zum Otto Schutzhaus. Immer wieder bietet sich der Blick zurück zum Gipfel des Schneeberg es. Fast schon unfassbar, dass wir dort erst gestern Mittag noch gestanden haben. Gerade beim Fernwandern bin ich immer wieder über die Anzahl der Kilometer und Höhenmeter erstaunt, die man innerhalb eines oder weniger Tage zurücklegen kann. Eine bessere Art der Fortbewegung kann ich mir in eine solch beeindruckenden Landschaft einfach nicht vorstellen.
Fehlte mir noch in den ersten Unterkünften des Nordalpenweg das gewohnte Hüttenfeeling, so änderte sich das schlagartig auf dem Otto Schutzhaus. Obwohl wir dort nur zum Mittag einkehren, fühle ich mich direkt Wohl in der rustikalen und herzlich geführten Hütte. Dank tagelanger Sonnendauerbestrahlung entscheiden wir uns trotz des Kaiserwetters für einen Sitzplatz im Inneren der Stube. Aussicht haben wir auch von hier, aber die Haut entkommt nun für einige Zeit der schon recht intensiven UV-Strahlung. In Anbetraht des Wetters auf unserer Traumpfad München Venedig Alpenüberquerung sind das aber wirklich Luxusprobleme und Jammern auf höchstem Niveau.
Hinein in die Rax
Frisch gestärkt folgen wir nach der Pause der Forststraße in Richtung Karl-Ludwig-Haus und dem Hochplateau der Rax-Gebirgsgruppe. Während des Anstiegs durch Legföhren stoßen wir auf eine Schulklasse, bestehend aus 22 um die 12 jährigen Jungs. Während einer kurzen Unterhaltung erfahren wir, dass Sie ebenfalls auf dem Karl-Ludwig-Haus nächtigen und mit uns die einzigen Gäste der großen Schutzhütte sein werden.
Frühling auf 1800 Metern
Die letzten Kilometer des Tages wandern wir über ein karges und noch vegetationsarmes Plateau und kommen nach dem queren von einem größeren Schneefeld auf einer aussichtsreichen Kuppe an. Von hier schauen wir knapp 100 Meter auf unser Tagesziel hinab, setzen vor dem Abstieg die Rucksäcke aber noch einmal ab. Das Panorama ist einfach zu schön, um es nicht einige Augenblicke zu genießen. Da hier oben erst vor wenigen Wochen der letzte Schnee geschmolzen ist, erblüht die Hochebene jetzt im Frühling. Zahllose Blumen aller Farben sprießen aus dem Boden und erfreuen Auge und Kamera.
Zudem merke ich besonders bei dieser Etappe, dass sich das Lauftraining des letzten halben Jahres positiv auf meine Kondition ausgewirkt hat. Die 1480 Höhenmeter haben mir nur wenig ausgemacht und ich kann am Ende des Wandertages noch unangestrengt die Aussicht bewundern. Auf der ersten Alpenüberquerung sah mein Fitnesslevel noch anders aus und ich hatte mit den ersten, höhenmeterlastigen Etappen konditionell etwas zu kämpfen.
Die ruhigen ersten Minuten in dem massiven Karl Ludwig Haus sind vorbei, als die Schulklasse lautstark ihre Ankunft ankündigt. Wahnsinn wie viel Energie die Jungs noch in sich tragen, obwohl sie den ganzen Tag zu der Hütte aufgestiegen sind. Einzig die beiden Lehrkräfte scheinen etwas erschöpft zu sein. Unser 6.ter Wandertag war zugleich auch der letzte, an dem ich nicht etwas sorgenvoll in den Himmel blicken werde. Denn heiße und schwülwarme Luft zieht eines magisch an: Gewitter…
Soweit für den ersten Teil des Wander Berichtes unserer Alpenüberquerung von Wien bis nach Nizza . In den nächsten Wochen kommen dann die anschließenden Teile. Momentan befinden wir uns in Eisenerz und machen nach 13 Wandertagen den ersten und wie ich finde verdienten Pausentag!
Möchtest Du mehr über unsere Wanderung erfahren, dann schau doch einfach auf Facebook oder Instagram vorbei. Dort versuche ich alle 1-2 Tage ein paar Bilder und kurze Updates zu der Tour hochzuladen. Sofern das Internet natürlich mitspielt.
Zu den anderen Artikeln dieser Alpenüberquerung:
- Etappen 1 – 6: Der Start in Wien
- Etappen 7 – 13: Erste Gewitter
- Die Sache mit dem Knöchel…
- Etappen 14 – 24: Der Salzsteigweg – Eine Hassliebe
- Etappen 25 – 32: Der Südalpenweg
- Etappen 33 – 41: Von Sexten nach Bozen – Die Dolomiten-Durchquerung
- Etappen 42 – 58: Vom Vinschgau bis ins Piemont
- Etappen 59 – 72: GTA – Von Forno bis Talosio
- Etappen 73 – 78: Rocciamelone – Der höchste Punkt der Reise
- Etappen 79 – 94: Die Ankunft in Nizza
- Alle Informationen zu der Alpenüberquerung zu Fuß
Hallo Alex, spannend, auf diesem Weg mal so von ganz anderen Hütten und Bergen zu hören als den “üblichen Verdächtigen”.
Ja, mit dem Rucksackpacken geht es mir ähnlich: Egal, wie oft die Handgriffe in früheren Jahren schon geübt sind, auf jeder längeren Tour dauert es erst mal wieder drei Tage, bis wirklich alles sitzt und auch schnell wieder herauszufischen ist.
Was du mit den Kilometern und Höhenmetern schreibst – ich bin vor allem rein visuell immer wieder überrascht. Da steht man an manchen Tagen morgens vor am Start und sieht ganz hinten am Horizont, verdammt weit weg, einen Berg oder eine Hütte. Angeblich das Ziel. Abends dann das gleiche bzw. noch viel unglaublichere Spiel: Der Blick geht zurück bis zu diesem ewig weit entfernten Punkt, an dem man morgens gestartet ist. Irgendwie unreal.
Wünsche euch weiter eine gute Tour, Nadine
Hi Nadine,
Da stimme ich dir zu. Mittlerweile ist das packen auch wieder in Fleisch und Blut übergegangen.
Liebe Grüße,
Alex
…mein Neid ist Dir gewiss… :-)
Alles Gute!
Danke dir Bernd :)
Toller Bericht und in einer sooo schönen Gegend seid ihr da unterwegs.
Ich persönlich liebe diesen Abschnitt und bin sehr oft im Schneeberg und Raxgebiet unterwegs. Ein herrliches Fleckchen dort :-)
Weiterhin gutes vorankommen und werdet sicher noch in Regionen kommen, wo es euch ins staunen versetzen wird. Bin gespannt auf weitere Berichte.
Liebe Grüße
Yvonne
Hi Yvonne,
Danke dir! Schön das dir dieser Abschnitt ebenfalls so gut gefällt :)
LG Alex
Hallo Alex,
schöner erster Bericht von eurem Abenteuer. Aufgrund der Aufzählung der Hütten kann man eure Tour wohl recht gut verfolgen, werd ich mal versuchen..
Ansonsten weiterhin tolles Wetter und viel Spass..
Bert
Hi Bert,
Danke dir! Dann wünsche ich dir viel Spaß beim verfolgen :)
LG Alex
Hallo Alex, bin durch Zufall auf Deine Seite gestoßen und lese Deine Tests und Tourberichte mit großem Interesse. Familienbedingt fallen meine Touren im Voralpenland eher kurz aus, sowweit die Beine einen Vierjährigen und dessen ältere Geschwister eben tragen. Aber mit der Zeit wird ihre Kondition besser und irgendwann stehen dann auch mehrtägige Wanderungen an.
Viel Spaß noch bei den weiteren Etappen, ich freue mich schon auf die Berichte.
Christoph
Hi Christoph,
Ich bin auch gespannt, wie das später alles mit Kindern klappt. Dein Motto: Früh übt sich, finde ich aber super :)
Ganz viel Spaß noch beim Wandern mit der Family!
Liebe Grüße,
Alex