Der folgenden Artikel stammt von Uli, der normalerweise auf dem Dustyboots.blog über Trekking und Mehrtages-Touren auf eigene Faust schreibt. In diesem Gastbeitrag erzählt er Dir seine Erfahrungen mit dem Herstellen und Tragen eines selbstgenähten Regenkilts!
Erfahrungsbericht mit dem DIY Regenkilt
Experiment: Ich nähe mir nach der Anleitung von Alex einen Regenrock und nehme ihn dann als Wetterschutz – für untenrum – mit auf eine Radtour über die Alpen. Mich interessieren folgende Fragen: Komme ich mit seiner Anleitung klar? Funktioniert der Rock auch auf dem Rad? Bietet mir die Kombination aus Gamaschen und Rock ausreichend Schutz? Lässt der Rock mir meine Bewegungsfreiheit – und das ginge dann bei Aufsteigen aufs Fahrrad schon los. Ich bin gespannt und nehme die Herausforderung an! Aber, wird das gut gehen?
Die Herstellung
Ich bin kein Meister im Nähen. Meine Erfahrung reduziert sich im Wesentlichen darauf, meine Jeans zu flicken. Also Klebeflicken aufbügeln und kreuz und quer drüber nähen. Fertig! So habe ich zumindest schon mal eine Nähmaschine bedient und weiß auch wie schwer es ist eine gerade Naht hinzubekommen. Egal, ich nehme die Herausforderung an.
Ich binde mir also eine Reepschnur um den Bauch und fange an zu messen. Addiere noch ein paar Zentimeter für den Saum mit drauf und komme so auf meine Stoffmenge. Im Webshop von extremtexil bleibe ich eine ganze Weile hängen, weil es dort unglaublich viele interessante Dinge zu kaufen gibt
Irgendwann steht der Paketbote vor der Tür und überreicht mir meinen 200g schweren Einkauf. Wow, der Nylon-Stoff ist sehr dünn und glatt. Meine Jeans fühlt sich dagegen an wie Sandpapier.
Immer wieder konsultiere ich die Anleitung von Alex. Nun soll ich mir den Stoff zuschneiden. Meine Bastelschere: zu stumpf. Die gute Schere von Mama: besser, aber auch zu stumpf. Meine Schnittkante sieht nun aus wie nach einem Mäuseangriff.
Zu guter Letzt zücke ich das Skalpell und werde sofort glücklich. So habe ich jetzt zwar ein paar Zentimeter in der Länge verloren, aber noch ist es kein Minirock.
Empfehlung: Besorge Dir für dünne und glatte Stoffe eine scharfe Schere oder ein Skalpell!
Mit den Stoffresten mache ich ein paar Probenähte. Anfangs ist der Faden zu stark gespannt und der Stoff kräuselt sich. Er ist zwar sehr glatt, lässt ich aber trotzdem gut führen. Bald sind die richtigen Einstellungen gefunden und dann wage ich mich an den Rock.
Die Maschine surrt, die Nadel tanzt, der Stoff gleitet, ich lächle. Die Nähte sind zwar nicht ganz gerade, aber Kurven habe ich auch nicht genäht. Der Trick mit den Büroklammern zum Fixieren des umgeschlagenen Saums ist Gold wert. Meine alte Maschine hat keinen Rückwärtsgang, darum ist das Verwahren der Fäden etwas aufwendiger.
Mit ein wenig Probieren und Geduld sind die Ränder bald umsäumt und die besten Plätze für den Klettverschluss gefunden. Nun noch die Kordel einziehen und fixieren, dann ist der Regenkilt fertig. Alles in allem war es jetzt kein Hexenwerk und ich habe den den Rock in einem Nachmittag fertiggestellt.
Ab in die Regenkammer
Bei normalen Kleidungsstücken brauchst Du zur Anprobe einen Spiegel. Auf den verzichte ich, wähle dafür die Gießkanne. Auf der Wiese vorm Haus bauen wir den Regenstand auf. Mit größter Freude gießt Christiane eine ganze Kanne über mir aus.
Ergebnis: Der Rock hält dicht. Das Wasser fließt daran herunter und füllt mir zuverlässig die Schuhe ab. Gamaschen müssen also sein. Deutlich schlechter schneidet meine Hardshell-Jacke ab: an den Stellen, wo der Rucksack aufliegt suppt es ordentlich durch. Auch im Tragekomfort liegt der Rock vorne. Die luftige Konstruktion lässt mich an diesem warmen Tag nicht schwitzen. In der Jacke staut sich die Hitze bald. Der Rock ist im ruck-zuck wieder getrocknet und kann verpackt werden.
Entscheidung: Die erste Probe ist bestanden. Der Rock geht mit über die Alpen.
All-In: Nur der Rock kommt mit
Der Juni bringt Sonne satt, Tag für Tag. Regen? Mangelware. So kann ich keine weiteren Tests durchführen. Die Alpenüberquerung mit dem Rad wird uns über die Berge führen. Da wir jedoch die meiste Zeit durch die Täler radeln werden, gehe ich das Risiko nun einfach ein und nehme den Regenrock als einzigen Wetterschutz für die Beine mit.
Bald ist mein Radanhänger gepackt und just an dem Morgen als wir aufbrechen, nieselt es. Noch nicht stark genug, um gleich den Rock zu zücken. Aber das ist dann auch der gesamte Regen, den wir auf der Fahrt haben werden. Yeah!
Natürlich bleibt der Rock nicht die ganze Zeit tief unten im Anhänger verstaut. Folgende alternative Verwendungsmöglichkeiten entdecke ich unterwegs :
- Praktisch: Als Sitzunterlage oder Picknickdecke auf der feuchten Wiese
- Clever: Als Waschbeckenstöpsel-Ersatz für die Handwäsche
- Lässig: Als Superhelden-Umhang am Strand
Endlich Regen…
Ich bin fast täglich mit dem Rad in der Stadt unterwegs, den Rock stets im Rucksack. Es gibt einige Gewitterschauer, aber die verpasse ich im Büro. Aber dann, eines Tages ist es soweit: Der Himmel ist grau, die Wolken hängen tief, es riecht nach Regen und ich bin auf dem Heimweg. Gleich nach der dritten Abzweigung – die ersten dicken Tropfen! Yeah, mein lieber Rock: Deine Stunde der Wahrheit ist gekommen!
Anhalten, umbinden, zuziehen. Fertig! Wieder aufs Rad und weiter geht‘s. Allerdings stelle ich fest, dass der Rock sich immer wieder auf Minirock-Länge nach oben schiebt. Nach einer Weile hoch und runterziehen ist meine Hose dann eh nass und mir ist es egal: bleibt er halt oben. Nervkommando!
Fazit: Der Rock in „knapp übers Knie“ Länge ist fürs Radfahren einfach zu kurz. Allerdings hat er mich trotzdem in Punkto „einfaches und schnelles Anziehen“ und „gut belüftet und kein Hitzestau“ überzeugt. Durch die „hinten offen“ Konstruktion wie bei den OP-Hemden im Krankenhaus (die Enden überlappen sich ca. 20 cm) sitze ich nicht auf dem Stoff, sondern nur auf der Hose. So bleibt die volle Bewegungsfreiheit erhalten.
Die Verlängerung: Regenrock 2.0
Hilft ja alles nix, Regenhosen überzeugen mich einfach nicht und ich sehe die Zukunft im Regenrock. Mir fallen folgende Rad-Regen-Rock Optimierungen ein:
- Ganz klar: Er muss länger werden
- Stärkere Signalfarbe verwenden, damit ich besser gesehen werde
- Wenn die Länge allein nicht ausreicht, kann ich den unteren Saum mit etwas schwerem auffüllen
„Gehen Sie zurück zu Los!“ – Das alte Monopoly-Kommando. Also wieder einkaufen, messen, schneiden, nähen und auf Regen warten. Zur Sicherheit habe ich mich für einen leuchtend roten, knöchellangen Rock entschieden. Denn im Zweifelsfall könnte ich ihn dann immer noch kürzen. Die Materialwahl fällt auf etwas festeres Ripstop-Nylon (40den).
Fazit: Der Rock bleibt beim Fahren ganz entspannt über meinen Knien liegen. Auch bei höherem Tempo (knapp 30 km/h) sind die Oberschenkel zuverlässig geschützt. Allerdings muss ich darauf achten, dass er auch mittig sitzt, sonst kommt er in eine seltsame Seitenlage. Die Wärmeentwicklung unter der langen Variante ist geringfügig höher, aber im Vergleich zur Regenhose wäre das Jammern auf hohem Niveau.
Durch den Fahrtwind perlt das Wasser seitlich ab, sodass im Gegensatz zu meinem statischen Gieskannen-Test die unteren Hosenbeine und Schuhe nicht abgefüllt werden. Die Gamaschen brauche ich also überhaupt nicht.
Nach einigen Regenfahrten bin ich überzeugter denn je: Die Zukunft gehört dem Rock!
Ist mein Experiment geglückt?
Ein ganz klares Ja. Ich habe nun zwei Varianten. Einen Regenrock fürs Rad und einen Regenschurz zum Wandern. Den Eierlegenden-Woll-Milch-Rock gibt es nicht. Denn die lange Variante nervt beim Gehen und der Wanderrock mutiert zum Minirock auf dem Rad. Der festere Stoff stört mich beim Radfahren nicht, beim Wanderrock freue ich mich jedes Mal über die seidenhafte Anmutung des dünnen Ripstop-Nylons (20den).
Ein herzliches Dank an Alex für die Inspiration und die verständliche Anleitung. Was mir daran gut gefallen hat, ist die kleine Skizze des Schnittmusters und die klaren Anweisungen: Also kein Bla-Bla, sondern die gezielt Infos, die ich zu diesem Zeitpunkt brauchte. Wenn das Grundprinzip verstanden ist, kann eigentlich nichts mehr schief gehen – außer vielleicht eine Naht oder zwei. Aber das sind die kleinen Geheimnisse eines DIY-Projekts, die eh niemand wahrnimmt außer man selbst.
Über Uli
Uli mag Apfelstrudel und schreibt bei dustyboots.blog über Trekking und Mehrtages-Touren auf eigene Faust. Das Risiko des Scheiterns ist für ihn die Motivation, sich immer wieder auf neue Abenteuer einzulassen: Egal ob in den Bergen, der Welt oder zu Hause an der Nähmaschine.
wie wäre es damit den regenrock nach innen zu rollen?
wie beim zeltfenster. 4 schnüre zum festmachen unten und innen eingenäht und fertig
Hallo Olav,
Das ist sicherlich auch möglich. Aber da der Regenrock in sekundenschnelle An- und auch wieder Ausgezogen ist, sehe ich da eigentlich keinen Bedarf für.
Viele Grüße,
Alex
Hallo Alex und Uli,
ich habe mir auch den Regenkilt zusammengeschneidert und auf meiner Tour München-Venedig mitgehabt. Mein Fazit ist leider nicht so positiv, da ich untendrunter am ersten Regentag trotzdem nach eher kurzer Zeit bis auf die Oberschenkel nass geworden bin. Erklären kann ich mir das allenfalls durch hydrostatische Wirkungen. In jedem Fall ist der Kilt so ein One-timer geworden. Schade eigentlich denn ich fand die Grundidee sehr gut (sonst hätte ich’s ja auch nicht versucht).
Beste Grüße
Stefan