Was ist die perfekte Wanderung? Je länger, höher oder weiter desto besser? Oder können auch kurze Wanderungen nachhaltig beeindrucken?
Definitiv! Sei es wegen atemberaubender Landschaften, meditativer Zustände oder toller Gespräche mit dem Wanderpartner. Dafür braucht es dann keine vor Höhenmetern und Schwierigkeiten strotzende Mammut-Tour. Die Halbtageswanderung im Mittelgebirge macht oft genauso glücklich und zufrieden.
So ähnlich war es auch bei unser Wanderung vom Wirzweli zur Gummenalp in den Schweizer Alpen. Diese Tour hat nicht einmal 4 Stunden gedauert und weniger als 400 Höhenmeter an Aufstieg bedeutet. Vorher habe ich noch überlegt, ob sich nicht noch irgendwie ein Schlenker einbauen lässt. Einen weiteren Punkt ansteuern, um die Tour zu verlängern. Denn, 3.5 Stunden? Gilt das noch als Wanderung? Oder eher schon eher als Spaziergang?
Warum wanderst Du?
Aber im Nachhinein ist es doch vollkommen egal, wie man seine Tour einsortiert. Oder Kategorisiert. Hauptsache ist doch, das gefunden zu haben nach dem man gesucht hat. Ob das nun Ruhe, Gespräche, Aussichten, Waldlandschaften, Berge, Flachland, frische Luft oder der Duft von nassen Erdboden ist, spielt eigentlich keine Rolle.
Ich kenne kaum jemanden der sagt: ” Eine Wanderung die kürzer als 4 Stunden ist macht mir keinen Spaß…”.
Durch den Fokus auf die eigentliche Leidenschaft die man damit verfolgt, verlieren die reinen Zahlen an Bedeutung. Das kann auch eine Wandlung von Quantität zu Qualität bedeuten. Denn die Wanderung die mir in den 14 Tagen in der Zentralschweiz am meisten in Erinnerung geblieben ist, war fast die Kürzeste.
Als sehr visuell orientierter Mensch sind mir Landschaften, Aussichten und die Ruhe viel wichtiger, als die reine Anzahl an Höhenmetern oder gewanderten Kilometern. Und diese Dinge hat die kurze Wanderung hinauf zur Gummenalp mehr als erfüllt. Daher findest Du hier nun den Tourenbericht dazu:
Gummenalp Wanderung Tourenbericht
Der Rucksack ist voll bepackt. Meine gesamte Trekking Ausrüstung füllt ihn aus. Und das, obwohl wir zu einer Tageswanderung aufbrechen. Aber er kommt frisch aus der Nähmaschine und möchte seine Leistung mit Real-Gewicht unter Beweis stellen.
An der Talstation stelle ich ihn im Warteraum der Wirzweli Bahn auf einer gepolsterten Bank ab. Es ist verdammt kalt. Die 6°C Minus zwingen mich meine warmen Fäustlinge überzustreifen. Kein wärmender Sonnenstrahl trifft Anfang Dezember auf die kleine Station. Der dichte Nebel macht das nicht unbedingt besser. Als einzige Gäste steigen wir frierend in die leere Gondel ein. 10 kalte Minuten später setzt sie sich behäbig in Bewegung. Einige Zeit sehen wir nichts außer dem kargen Inneren der Kabine. Draußen verschluckt der weiße Nebel alles.
Zwei Welten
Doch plötzlich färben sich die dichten Wolken bläulich und die Gondel entsteigt dem Nebel und dem strahlend blauen Himmel entgegen. Tausende Eiskristalle glitzern im hellen Sonnenlicht. Die sonnenbeschienenen Bergflanken passen so gar nicht zu dem Winterwetter im Tal. Saftig grün und ohne jedes Anzeichen von Schnee liegen sie vor uns. Der Nebel scheint die zweit Welten voneinander zu trennen.
Oben angekommen verschwinden Handschuhe und Daunenjacke schnell wieder im Rucksack. Ganze 7 Grad ist es hier oben auf 1220 Metern wärmer. Die inversive Wetterlage hat durchaus ihre Vorteile. Wir blicken auf ein weißes Meer. Die geschlossene Wolkendecke umfließt alle Berge im Engelbergertal.
Wir starten im kleinen Bergdorf Wirzweli und suchen vergeblich den ersten Wegweiser. Da ich die grobe Richtung kenne, folgen wir erst einmal einer kleinen Asphaltstraße. Das erste schwach gepinselte weiß-rot-weiße Zeichen an einer flachen Mauer bestätigt unsere Richtungswahl. Vorbei an einladenden Häuser queren wir bald eine Skipiste und den zugehörigen Ankerlift. An Skibetrieb ist hier aber längst nicht zu denken. Auf den langen Raureifkirstallen macht Wintersport relativ wenig Spaß. Wir sind wieder im Schatten angekommen. Die Temperatur sinkt nun gefühlt um 10 Grad ab.
Passend für den Winter:
Der Wanderweg führt kurz unter den Liftmasten entlang, zweigt dann aber nach links in Richtung “Horn” ab. Unwissend was uns bei diesem erwartet, folgen wir dem Schotterweg nun steiler bergauf. Ich komme so langsam auf Betriebstemperatur. Endlich bekommen die Gliedmaßen auch wieder etwas Wärme ab. Der häufige Schatten-Sonne-Wechsel lässt meine Handschuhe im Viertelstundentakt in den Seitentaschen verschwinden und wieder hervorkommen.
Ein Blick zurück auf das Bergdorf zeigt deutlich, welche Bereiche die Sonne zu dieser Jahreszeit nie erreicht. Das Stanserhorn hingegen ist gänzlich schneefrei. Jedenfalls auf der uns zugewandten Seiten.
Der Weg verläuft nun steiler und wir legen in einer dreiviertel Stunde den Großteil der heutigen Höhenmeter zurück. Am vermeindlichen Horn angekommen blitzt uns die Sonne wieder entgegen. Bänke und Tisch laden zur einer kurzen Pause ein. Einige Nadelbäume verdecken jedoch die Aussicht. Daher folgen wir der Baumlinie bis zur Lücke im Wald.
Zeit zum Staunen
Neben einer kleinen Hütte können wir die atmenberaubende Aussicht auf das Bannalp-Gebiet, den Titlis und das Engelbergertal genießen. Das tiefe Wolkenmeer scheint in Zeitlupe gegen die Bergflanken zu branden. Einzelne Sonnenstrahlen durchdringen es allmählich und bahnen sich ihren Weg ins schattige Tal. Bei diesem Anblick merke ich, dass ich mich all die Jahre viel zu sehr auf das Titlis-Gebiet konzentriert habe. Die umliegende Bergwelt bietet aber noch so viel Unbekanntes zu entdecken.
Nach dutzenden Fotos verschwindet die Kamera im Rucksack. Nun sitzen wir in der Sonne und genießen noch ein paar Minuten das unbeschreibliche Panorama. Um dieses etwas besser mit Dir teilen zu können, habe ich mich an einer 360° Panoramaaufnahme versucht. Hier das Ergebnis:
Das Letzte woran ich in diesem Moment denke ist, dass der Weg bis zu diesem Punkt höchstens 45 Minuten gedauert hat. Alles was ich mir von dieser Wanderung erhofft habe, ist in dieser dreiviertel Stunde schon eingetreten. Könnte es besser laufen?
Kein Spaß am Wandern?
In diesen Momenten kann ich am wenigsten verstehen, wie man am Wandern keine Freude haben kann. Solche Aussichten kann man sich meist nur zu Fuß verdienen. Viele meiner Flachland-Freunde verbinden mit dem Wort Wandern aber irgendwie immer den 20 Minuten Spaziergang mit Oma im Stadtpark. Aber bei einer solch aussichtsreichen Wanderung wie dieser, muss doch selbst der größten Couch-Potato das Herz aufgehen.
Nach dieser Lichtung verschwindet der Weg als eisbedeckter Pfad für einige Zeit im schattigen Wald. Unseren Weg säumen Schilder, die kleine Männchen mit Schneeschuhen zeigen. Eigentlich ist ja auch Winter. Schneeschuhe würden uns diese Wanderung aber etwas erschweren. Bis auf wenige eisige Passagen und drei Flecken Altschnee erinnert nichts an Winterurlaub.
Wir kommen erneut auf eine Lichtung und umrunden den Vorder Gummen rechterhand. Auf seinem Gipfel stehen drei Gleitschirmflieger, die sich lautstark ebenfalls über das fantastische Wetter zu freuen scheinen. Die letzten Meter zur Gummenalp eröffnet sich uns erneut das einmalige Panorama. Einfach unbeschreiblich wie malerisch diese Landschaft aussieht. Besonders mit den Resten an Raureif, die in die schattigen Rinnen vor der Sonne geflüchtet sind.
Nach einem heißen Kakao in dem angrenzenden Restaurant geht es schon wieder auf den gemütlichen Abstieg. Über Fahrstraßen und menschenleere Schotterwege wandern wir in einer großen Schleife wieder hinunter nach Wirzweli. Einer kurzen Unsicherheit über den weiteren Wegverlauf zum Trotz, erreichen wir sichtlich entspannt das kleine Bergdorf.
3,5 Stunden und 8,5 Kilometer später habe ich alle bekommen, was ich am Wandern so sehr liebe. Gute Gespräche, tolle Aussichten, ruhige Natur, Schweiß auf der Stirn und Entspannung im Kopf.
Infos zur Gummenalp Wanderung:
Viele Infos braucht es zu dieser Wanderung eigentlich nicht. Auf der SAC-Wanderskala schätze ich die Rundtour zwischen T1 und T2 ein. Im Sommer eher T1, im Winter bei Eis und etwas Schnee eher T2.
Auf Outdooractive habe ich diese Wanderung als Tour angelegt. Dort kannst Du Dir die Karte und GPS-Daten anschauen und für dein Smartphone beziehungsweise GPS-Gerät herunterladen.
Was ist Dir bei einer Wanderung besonders wichtig?
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Hallo Alex,
schöner Artikel! Ich sehe es genauso wie Du: Ob eine Wanderung zu einem tollen Erlebnis wird, hängt nicht unbedingt von den Höhenmetern oder dem Schwierigkeitsgrad ab. Na gut, ein gewisses Maß an körperlicher Anstrengung sollte natürlich schon dabei sein. Aber auch eine leichte Halbtagswanderung kann wunderschön oder auch spannend sein.
Übrigens coole Idee mit dem 360 Grad Panorama!
Werde jetzt öfter mal auf Deinem Blog vorbeischauen,
LG Ruth
Hi Ruth,
glücklicherweiße erzeugen ja selbst ein paar Stunden wandern im Flachland ein gewisses Maß an körperlicher Anstrengung.
Danke Dir! Das freut mich zu hören :)
LG Alex
Hey Alex,
schöner Artikel und super, dass du das Thema aufgreifst! Ich finde es oft schlichtweg wichtiger “einfach raus zu gehen” als sich zu viele Gedanken über die geleisteten Höhenmeter zu machen. Wenn man nur mega spektakuläre Touren machen möchte, bremst man sich selber aus (geht dann vielleicht gar nicht los!) und verpasst viele schöne, einfache Momente! Oft macht es halt die Mischung aus allem.
Viele Grüße aus Franken
Lisa
Hi Lisa,
da gebe ich Dir vollkommen Recht. Es ist immer besser einfach rauszukommen, als sich zu lange einen Kopf über die perfekte Tour zu machen. Und wie so oft, sind auch die einfachereren Wanderungen faszinierender als gedacht!
Liebe Grüße,
Alex