Die Gesichter der Mitmenschen sind ein guter Hinweis welche Jahreszeit sich zur Zeit ausbreitet. Momentan ist die Zeit der sinkenden Mundwinkel. Was bedeutet: Das Tageslicht wird knapp. Aufstehen mutiert zum Aufraffen und die Laune steigt und fällt mit dem Stand der Sonne. Tendenz: Fallend…
Und überhaupt: Wo ist eigentlich dieser Indian Summer? Jedes soziale Netzwerk überflutet einen ja geradezu mit Bildern von ihm. Und ich sitze am Arbeitsplatz und starre aus dem Fenster gegen eine graue Häuserwand. Zeit also dem Herbst auch mal ein paar positive Seiten abzugewinnen. Zeit für etwas mehr Farben. Für Orange, Rot und Gelb. Und Kastanien. Zeit für ein Plädoyer für die Herbstwanderung!
Plädoyer für die Herbstwanderung
Der Herbst in den Städten kann manchmal ganz schön sein. Der Herbst in der Natur ist schön! Auch wenn es das Wetter teilweise nicht ist. Das macht jedoch nur den Schweinehund träger. Schmälert aber nicht das Naturerlebnis.
Wenn 7°C, leichter Nieselregen und Windböen mit einem warmen Wohnzimmer, heißem Tee und der Wolldecke konkurrieren müssen, präferiert der Schweinehund meist Letzteres. Rafft er sich trotzdem auf und schlüpft in Wanderschuhe, Regenjacke und Trekkinghose, ist das Erlebnis meist nicht schlechter als im Sommer.
Der Herbst fügt einfach ein paar Eindrücke mehr hinzu. Blätter knirschen unter den Füßen. Der Waldboden riecht nach feuchtem Laub und Erde. Die Bäume kleiden sich in warmen Erdtönen. Und leichter Regen prasselt auf die Kapuze deiner Jacke.
Gute Laune auch bei Regen
Das mag sich im ersten Moment nicht besonders einladend anhören. Kommst Du aber ein paar Stunden später von einer Tageswanderung bei herbstlichen Wetter wieder nach Hause, ist eines Gewiss: Die Stimmung ist besser als vorher. Egal wie das Wetter war. Der Kopf ist frei und die Mundwinkel wandern automatisch wieder nach oben.
So angenehm das warme Wohnzimmer auch ist: Das hätte es nicht geschafft. Und nach mehreren Stunden aktiver Bewegung an der herbstlichen Luft, kann auch das gemütliche Sofa mehr genossen werden.
Es gibt also keinen Grund die Wanderschuhe vorzeitig in den Winterschlaf zu verbannen. Nicht nur im Sommer sorgt die Natur für gute Laune, Ausgeglichenheit und Entschleunigung. Das vermag sie das ganze Jahr über. Im Herbst vielleicht sogar noch etwas mehr als sonst.
Touristische Magneten wie Drachenfelsen, Brocken oder Zugspitze scheinen seltsamerweise bei bilderbuchfernem Wetter plötzlich all ihren Reiz verloren zu haben. Besucherrekorde werden dann nicht mehr aufgestellt. Gut so! Selfiestickträger, Schönwetterwanderer und Glamping-Freunde sind in die warmen Wohnzimmer dieser Welt geflüchtet. Übrig bleiben die, die auch bei schlechtem Wetter Freude am Draußensein haben. So sind neue sympathische Bekanntschaften nicht ausgeschlossen.
Herbstwanderung? Och…warum denn? Darum:
Aber die Herbstwanderung bringt nicht nur Ruhe und oft ungeteilte Naturerfahrungen. Es gibt noch viele weitere Vorteile, die das Wandern in der sicherlich meistgehassten Jahreszeit mit sich bringt.
Denn, wenn Du dich auf eine Herbstwanderung begibst, wirst Du…
- …eine andere Seite der Natur erleben. Spontane Windböen, die unerbittlich am Blätterkleid der Bäume zerren und ihre Beute tosend in den Himmel schleudern demonstrieren die unglaubliche Kraft die in Mutter Natur steckt. Dem Element Wind so unmittelbar ausgesetzt zu sein, ist eine spürbare, aber immer auch akustische Erfahrung. Von der einen auf die andere Sekunde ist er da. Heulend, Tosend, Jammernd, Zischend…Man könnte meinen, der Wind wäre selten gut gelaunt. Einfach klasse sich bei der Herbstwanderung die bunten Blätter um die Ohren wirbeln zu lassen!
- …durch die tief stehende Sonne viel interessantere Sonnenauf- und untergänge erleben. Außerdem musst Du für sie nicht so früh aufstehen beziehungsweise wach bleiben. Jetzt (Anfang Oktober) geht die Sonne ungefähr um 8 Uhr auf und verschwindet schon um halb 7 hinter dem Horizont. Das solltest Du bei der Planung deiner Tour mit einberechnen.
Das gilt natürlich auch für Wanderungen im Winter! Ein paar Artikel habe ich deshalb letztes Jahr auch der kalten Jahreszeit gewidmet:
- Zelten im Winter. So bleibst Du im Schlafsack warm.
- Outdoor Tipps gegen die Kälte
- Wandern im Winter – Hilfreiche Tipps bei Schnee und Eis
- …die Teebeutel nicht mehr umsonst mitschleppen. Der Tee erleichtert mir die Umgewöhnungsphase auf die herbstlichen Temperaturen ungemein. Hände und Inneres werden warm und die Stimmung steigt. Meine 2 Beutel Kräutertee warten schon seit dem April in der Titantasse darauf endlich aufgebrüht zu werden. Geschmack: Kräuterlich!
- …weniger schwitzen.
- …weiter sehen können. Die kalte, klare Herbstluft begünstigt die landschaftlichen Weitblicke. Hier im Hochschwarzwald sind dann bei gutem Wetter endlich wieder die Gipfel der Alpen auszumachen! Und das bei einer Entfernung von bis zu 150 Kilometern.
- …schönere Himmel sehen. Dadurch das die Sonne im Herbst tiefer steht, wird das blaue Licht stärker in der Atmosphäre gestreut. So kommen die warmen Rot- und Orangetöne besser zur Geltung. Der Himmel erscheint türkiser als im Sommer. Meiner Meinung nach das reizvollere Farbenspiel als in der heißen Jahreszeit.
- …deine Regenbekleidung besser testen können. Ein Dichtigkeitstest der Rucksackregenhülle sollte ebenfalls problemlos zu realisieren sein. Für mich steht noch ein ausführlicher Test meines selbstgenähten Regenkilt auf dem Programm! Der verflixt sonnige Sommer hat mir einfach keine Möglichkeit dazu gelassen.
- …vielleicht sogar schon den ersten Schnee des Jahres unter den Füßen spüren. Knirsch, Knirsch.
- …morgentliche Nebenschwaden zwischen den Bergen wabern sehen. Das gibt tolle Motive für Landschaftsfotos.
- …ein orange, gelb, rotes Farbenmeer zu Gesicht bekommen. In den nordamerikanischen Ländern auch Indian Summer genannt.
Und sollte Dich der Sturm doch einmal dazu zwingen die Wanderschuhe im Schrank zu lassen, gibt es auch andere Möglichkeiten die Freude am Draußensein aufrecht zu erhalten. Solche Tage eignet sich hervorragend, um die Nähmaschine anzuwerfen und die ersten Ausrüstungsgegenstände selber zu machen. Denn Anleitungen dazu gibt es viele.
Gehst Du auch auf Herbstwanderung?
Oder sind die Wanderklamotten schon winterfest verstaut?
Hallo Alex,
ah, du sprichst mir aus der Seele. Mir ging es vor kurzem auch so als wir auf den Balkenstein gelaufen sind. Klassische Komfortzone: Ahhh, es ist kalt, es regnet bald… Und am Ende ist es halt dann doch nicht schlimm, sondern total schön! Eben leerer, entspannter und vielleicht auch erholsamer. Und stolzer ist man ohnehin (weil man eben nicht zu den Selfiestickträgern gehört!).
Den Tipp mit dem Sonnenaufgang probier ich vielleicht mal am nächsten (langen) Wochenende aus. Auch wenn die Zeitumstellung nächsten Sonntag da ja eher den Sonnenuntergang begünstigt. Die Sonne geht ja dann “schon” wieder um 7 Uhr auf :)
Viele Grüße
Lisa
Hi Lisa,
Danke Dir für dein Kommentar.
da stimme ich Dir zu. Teilweise ist es wirklich erholsamer, wenn man an regnerischen Herbsttagen wandert. Dann trifft man auf jeden Fall seltener in stressige Menschenansammlungen an den bekannteren Zielen.
Viele Grüße,
Alex
Lieber Alex,
vielen vielen Dank für diesen Artikel!
Ich muss zugeben, dass ich eine echte Frostbeule bin und mich bei Regen und kühleren Temperaturen schnell unter die Bettdecke verkrieche – und auch wenn ich Lust auf Natur und schöne, bunte Landschaften habe, siegt fast immer der innere Schweinehund.
Aber du hast absolut recht mit den Punkten, die du im Artikel ansprichst und mich gerade sehr motiviert :) Jetzt wird erstmal geplant, wos am Wochenende zum Wandern hingeht!
Liebe Grüße & alles Gute Sabine
Hi Sabine,
Momentan traut sich ja zum Glück die Sonne öfters hinter den Wolken hervor. Zumindest hier im Rheinland. Dann fällt es mir leichter mich zu motivieren ?
Liebe Grüße,
Alex
Hallo Alex,
vielen Dank für den Artikel. Herbstwanderungen sind wirklich was wundervolles. Ich finde es immer wieder faszinierend die gleichen Wanderungen in verschiedenen Jahreszeiten zu gehen. Meine Stammrunde ist im bayrischen Voralpenland auf die Benediktenwand. Immer wieder faszinierend wie schnell das Jahr so vergeht. Ich weiß noch genau wie ich diesen Frühling dort hoch gelaufen bin und wenn ich jetzt hinauf gehe, verlieren die Bäume schon wieder ihre Blätter.
Gruß
Markus